Elektromobilität in der Werkstatt: Werkstattausrüster begleiten Transformation

Der ASA-Verband informiert:

  • Auch Elektro-Antriebe benötigen Wartung und Service

  • Werkstattausrüster bieten kompetente Lösungen für professionellen E-Auto-Markenservice

  • Déja vu: Kampf um Reparaturdaten

Bis zu 50 Prozent weniger Wartungsaufwand, deutlich weniger bewegliche Komponenten als bei konventionellen Verbrennungsantrieben, keine Abgasanlage, kein Motoröl! Das sind typische Schlagworte, mit denen Werkstätten konfrontiert sind, wenn über Elektrofahrzeuge gesprochen wird. Auf den ersten BlickElektrofahrzeuge könnte man den Eindruck gewinnen, Elektrofahrzeuge kommen so gut wie ohne Service aus und Reparaturen lassen sich mit dem Multimeter diagnostizieren. Entsprechend gering fällt der Aufwand für die Werkstattausrüstung aus.

Die Praxis sieht anders aus. Der Bundesverband der Hersteller und Importeure von Automobil-Service-Ausrüstungen e.V. (ASA) und seine Mitgliedunternehmen begleiten die E-Mobilität und ihre Auswirkungen und Anforderungen auf die Werkstattausrüstung, seit der erste Toyota Prius in der freien Werkstatt landete. Also seit mehr als 20 Jahren.

Ein Zwischenfazit: Das Wissen um die Behandlung der mit der neuen Antriebstechnologie ausgestatteten Fahrzeuge in der Werkstatt wächst von Jahr zu Jahr exponentiell. Dennoch gibt es noch immer viele Service- und Reparaturanwendungen, in denen Graubereiche und Unklarheiten beim Umgang mit der Technik bestehen. Auch, weil teilweise klare Vorgaben des Gesetzgebers oder präzise Reparaturleitfäden der Automobilhersteller fehlen und Standardisierungen von Service- und Reparaturarbeiten nach wie vor die Ausnahme sind und sich von Hersteller zu Hersteller unterscheiden können.

Frank Beaujean, Präsident des Werkstattausrüsterverbandes dazu: „Praktisch jedes Mitgliedsunternehmen in unserem Verband ist direkt oder indirekt mit dem Thema E-Mobilität befasst, bietet spezielle Produkte oder Services für E-Fahrzeuge. Themen rund um E-Mobilität ziehen sich durch alle Fachbereiche des Verbandes.

Zusatzlast sicher anheben

Das beginnt beim Anheben der Fahrzeuge in der Werkstatt. E-Fahrzeuge sind in der Regel mehrere 100 Kilogramm schwerer als vergleichbare Verbrennerfahrzeuge. Wer E-Autos repariert, muss also Hebebühnen mit deutlich höheren Tragkräften nutzen. Zudem ist die Gestaltung der Tragarme ein wichtiges Kriterium; denn bei den meisten E-Fahrzeugen ist der Akku, sozusagen der „Tank“, als tragendes Teil der Karosserie in den Unterboden integriert. Säulen und Tragarme müssen so ausgestaltet sein, dass der Akku im angehobenen Zustand des Fahrzeugs leicht aus- und wieder einzubauen ist. Problematisch für Hebebühne-Hersteller ist hier, dass bei manchen E-Fahrzeugen die Hebepunkte für das Ansetzen der Tragarmteller nicht definiert sind. Das Wissen um die genauen Hebepunkte bewahrt die Werkstatt bei Reparaturen vor Beschädigungen des Akkugehäuses und der Batteriemodule.

Leicht entflammbar

Stichwort Beschädigungen: Von beschädigten Akkus geht eine besondere Gefahr aus. Chemische Reaktionen im (beschädigten) Akku können auch dann noch ablaufen, wenn das Fahrzeug längst außer Betrieb gesetzt wurde. Die schlagartige Entladung einzelner Batteriezellen, bspw. durch Kurzschluss, kann zu einer sprunghaften Temperaturerhöhung im Akku bis hin zur Selbstentzündung führen. Experten empfehlen darum dringend, Arbeitsplätze für Elektrofahrzeuge immer in der Nähe der Werkstatttore zu installieren. So kann im Fall eines Brandes das Fahrzeug noch aus der Werkstatthalle gezogen werden, bevor die Flammen auf das gesamte Gebäude übergreifen.

Reifenservice – sensible Behandlung für schwere Brocken

Das hohe Fahrzeuggewicht von E-Fahrzeugen beeinflusst auch den Reifenservice in der Werkstatt, insbesondere beim Radauswuchten und beim Reifenwechsel. „Höheres Fahrzeuggewicht bedeutet höhere Radlasten, teilweise 100 bis 150 Kilo mehr Fahrzeuggewicht pro Rad als bei einem vergleichbarenElektrofahrzeuge Verbrennerfahrzeug,“ sagt Bernhard Hoffmann, Leiter des ASA-Fachbereichs Reifenservice und Achsvermessung. Die Folge: Auch Bremsen- und Felgendurchmesser steigen an. Größere Räder bedeuten ebenfalls mehr Gewicht pro Rad und erhöhen die körperliche Belastung der Mitarbeiter bei Rad-Montage und Wuchtarbeiten. Beim Wuchten ist eine weitere Besonderheit zu beachten. „Reifen müssen aerodynamisch optimiert werden. Somit gibt es keine Felgenhörner für Einschlaggewichte; Auswuchten erfolgt nur durch die Verwendung von Klebegewichten“, so Hoffmann.

Bei der Reifenmontage ist zudem die gleiche Sorgfalt erforderlich wie bei der Montage von UHP- und Runflat-Reifen. Steifere Seitenwände sollen die Belastungen durch höhere Fahrzeuggewichte kompensieren und E-Fahrzeugen Fahrstabilität geben. „Dabei ist ein Zielkonflikt, dass Fahrzeuge aufgrund des höheren Drehmoments Reifen beim Beschleunigen deutlich stärker belasten, als ein Verbrennerfahrzeug“, sagt Bernhard Hoffmann.

E-Fahrzeuge brauchen Platz

Bezüglich der Arbeitsplatzgestaltung für Elektro-Fahrzeuge existieren je nach Automobilhersteller unterschiedliche Vorgaben. Für Standardarbeiten, also alle Arbeiten am Fahrzeug exklusive denen am HV-System, sind Arbeitsplatz-Standardgrößen von 7×4 m (Tiefe x Breite) wie bei konventionellen Fahrzeugen ausreichend. Für Arbeiten an Hochvoltkomponenten empfiehlt sich die Größe vom Multi-Materialmixarbeitsplätzen. Das bedeutet: Für Normalfahrzeuge 8×6 m, für große SUV 10×6 m. Sollen am HV-Arbeitsplatz auch Batteriemodule ausgetauscht werden, ist angrenzend ein zweiter Arbeitsplatz von 7×4 m vorzusehen. „Einige Hersteller empfehlen zudem, HV-Arbeitsplätze bspw. durch Vorhangsysteme von der Werkstatt abzugrenzen“, sagt Jürgen Spieker, Spezialist für Absaugsysteme in der Werkstatt. Er hat als Experte für den ASA-Verband drei Jahre lang die Entwicklung der DGUV-Regel 109-009 inhaltlich mitgestaltet.

Explosive Mischungen

Aus Sicherheitsgründen schreiben einige Fahrzeughersteller neben der Arbeitsplatzabtrennung auch den Einsatz einer Absaugeinrichtung vor. Der Grund: Geht eine Hochvoltbatterie, z.B. aufgrund einer Beschädigung, in einen kritischen Zustand über, können schädliche Gase wie Wasserstoff in die Atmosphäre freigesetzt werden. „Eine Arbeitsplatzabtrennung verhindert die ungehemmte Ausbreitung schädlicher Gase in angrenzende Werkstattbereiche und dient dem Mitarbeiterschutz“, sagt Spieker. Die Kombination einer Wasserstoff-Absauganlage mit im Betrieb vorhandenen zentralen Abgasabsauganlagen ist dabei nicht zulässig. Dies dient der Betriebssicherheit. Da die Gefahr der Entstehung einer zündfähigen Atmosphäre besteht und eine Zündung des Gasgemisches durch Fehlzündung in anderem Bereichen der gesamten Anlage ausgeschlossen werden muss. „Für diese Absaugeinrichtungen muss das Volumen entsprechend dimensioniert werden. Ist das Absaugvolumen zu gering, könnte im Extremfall eine brennbare/explosive Atmosphäre entstehen“, sagt Experte Jürgen Spieker. Sein Kollege Andreas Weber, ASA-Vorstandsmitglied und ebenfalls Experte für Absaugsysteme in der Werkstatt, ergänzt: „Es gibt meines Wissens bislang von keinem deutschen Fahrzeughersteller ein klares Konzept. Im Lkw-Bereich arbeitet man aktuell mit Havarie-Ventilatoren, die je nach Warnstufe anlaufen und die separate Abgas-Absaugung abschalten. Die Tendenz des neuen Konzeptes ist ein Havarie-Ventilator der EX-Klasse 3G IIC oder IIB+H2 mit einem 3-fachen Luftwechsel pro Stunde. Es laufen aber auch schon erste Anwendungen für einen permanenten Luftwechsel dieser Arbeitsplätze, gekoppelt mit einer Wärmerückgewinnung. Damit würde die separate Abgas-Absaugung entfallen.

Vorsicht bei der Behandlung von Wasserstoff-Gasgemischen in der Werkstatt ist wohlbegründet. Wasserstoff ist hochentzündlich. Er brennt mit reinem Sauerstoff oder Luft sowie mit anderen gasförmigen Oxidationsmitteln wie Chlor oder Fluor mit heißer Flamme. Die Flamme ist kaum sichtbar, was das Verletzungsrisiko erheblich erhöht. Wasserstoff ist ungiftig und schädigt auch nicht die Umwelt. Daher ist auch kein MAK-Wert festgelegt. Atem- oder Hautschutz sind nicht erforderlich. Jedoch sind Gemische aus Luft und 4 bis 76 Vol.-% Wasserstoff brennbar. Ab einer Konzentration von 18 % in Luft ist das Gemisch explosiv (Knallgas). Die Zündtemperatur in Luft beträgt 560 °C. Wasserstoff ist von Zündquellen, einschließlich elektrostatischen Entladungen, fernzuhalten. „Gemische mit Chlor oder Fluor sind schon durch Ultraviolettstrahlung entzündlich“, mahnt Jürgen Spieker.

Diagnosebesonderheiten

Ob die Batterie eines E-Fahrzeugs in Ordnung ist oder von ihr eine potenzielle Gefahr ausgeht, wissen Werkstattmitarbeiter spätestens, nachdem sie ein Fahrzeug einer ausführlichen Diagnose unterzogen haben. Die Diagnosegerätehersteller im ASA-Bundesverband haben ihre Hard- und Software mit zunehmender Verbreitung von E-Fahrzeugen an die neuen Anforderungen angepasst. Dabei sind alle bemüht, Zusatzfunktionen für den Service an E-Fahrzeugen in bereits am Markt befindliche Geräte und in gewohnte Diagnoseroutinen zu integrieren. „Für die Diagnose können Betriebe mittlerweile auf ein breites Spektrum an Mehrmarkendiagnosegeräten zurückgreifen, die für den professionellen Service an allen E-Fahrzeugen unabdingbar sind“, sagt Harald Hahn, Leiter des ASA-Fachbereichs Diagnose- und Abgasmessgeräte. Daten aus den Batteriemanagementsystemen auslesen und interpretieren zu können, ist dieElektrofahrzeuge Voraussetzung für erfolgreichen Werkstattservice. Hinzu kommen so genannte SoH – State of Health-Informationen, die dem Anwender Aufschluss über den Batteriezustand, erfolgte Ladezyklen, Anzahl der Schnellladungen, Restkapazität einzelner Zellen/ des gesamten Akkus und vieler weiterer Parameter zum Gesamtzustand einer Batterie geben. „Hier belastbare Aussagen treffen zu können, ist eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Gebrauchtwagengeschäft“, sagt Hahn. Mehrmarkendiagnosegeräte sind nur ein Teil der E-Fahrzeug-gerechten Diagnoseequipments für Werkstätten.

Denn mit steigendem Fahrzeugalter der E-Fahrzeuge häufen sich Defekte an den Akkus. Dabei gehen immer mehr Hersteller dazu über, statt der kompletten Antriebsbatterie einzelne defekte Batteriemodule zu tauschen. „Aus Kostengründen und im Sinne der Nachhaltigkeit sicher die bessere Lösung. Werkstätten benötigen für diese Arbeiten neben entsprechend qualifizierten Mitarbeitern auch Geräte zur Prüfung der Sicherheit. Dazu gehören unter anderem Battery-Balancer, Dichtprüfgeräte oder Systeme für den Check des gesamten Hochvolt-Systems“, sagt Harald Hahn. Auch solches Equipment bieten Diagnosegerätehersteller heute als integrierte Lösungen oder auch Stand-alone-Geräte an.

Einzig im Bereich Bremsprüfung existieren bislang bei Elektrofahrzeugen keine besonderen Anforderungen für Werkstattequipment, wie Christian Thalheimer, Leiter des ASA-Fachbereichs Prüfstände sagt. Allerdings mit einem einschränkenden „noch“. „Elektrofahrzeuge verfügen i.d.R. über eine konventionelle Bremsanlage und Rekuperation ist kein Prüfpunkt der Bremsprüfung. Zudem lassen sich alle auf dem Markt befindlichen E-Fahrzeuge auf herkömmlichen Rollen- oder Plattprüfständen prüfen – noch.“ Ob das so bleibt, ist für den Prüfstandexperten fraglich. „In ersten E-Konzeptfahrzeugen hat die mechanische Bremse nur noch eine Sicherheitsfunktion als Backup. Verzögern sollen diese Fahrzeuge im Normalfall komplett über den Elektroantrieb. Das könnte auch Auswirkungen auf das Prüfequipment haben. Darum beobachten wir die Entwicklungen genau“, sagt Christian Thalheimer.

Déja vu: Kampf um die Daten

Trotz aller Innovationsfreude: Ein Problem begleitet die Diagnosegerätehersteller auch bei E-Fahrzeugen. Den Zugriff auf service- und reparaturrelevante Informationen aus den Fahrzeugen, Grundlage jeder Werkstattarbeit, erschweren Automobilhersteller für die Gerätehersteller teilweise erheblich. Einige E-ElektrofahrzeugeFahrzeuge verfügen beispielsweise nicht über eine OBD-Diagnoseschnittstelle. „Je holpriger der Datenzugang, desto schwieriger Service- und Reparaturbetreuung der Fahrzeuge im freien Reparaturmarkt. Langfristig schneiden sich die Fahrzeughersteller mit dieser Strategie ins eigene Fleisch“, ist Harald Hahn überzeugt.

Dabei werden Daten aus den E-Fahrzeugen nicht nur für technisches Arbeiten benötigt, Sie sind auch abrechnungsrelevant, berichtet abschließend Frank Beaujean. Der ehrenamtliche Präsident des ASA-Bundeverbands ist Geschäftsführer der asanetwork GmbH, die den Kommunikations- und Vernetzungsstandard „Workshop.Net“ betreibt, pflegt und weiterentwickelt. „Vor Arbeiten in der Werkstatt müssen Elektrofahrzeuge teilweise vor der Dienstleistung entladen und anschließend wieder aufgeladen dem Kunden übergeben werden.“ Die über Mobile Chargers oder Ladeeinrichtungen in der Werkstatt gezapfte Energiemenge wird dabei über die Verbindung der Werkstattgeräte mit dem Netzwerkstandard „Workshop.Net“ übermittelt und automatisch im DMS auf den Kundenauftrag gebucht. „Angesichts der in Deutschland üblichen Strompreise kann es sich keine Werkstatt auf Dauer leisten, ihren Kunden den Strom kostenlos ins Auto zu laden“, so Beaujean.

Werkstätten, die sich künftig mit Service und Reparatur von Elektrofahrzeugen beschäftigen möchten, können darauf vertrauen, dass sie bei den ASA-Mitgliedsunternehmen kompetente Ansprechpartner für die nötige Ausstattung finden.  

Quelle: ASA-Verband

Übrigens, WERBAS ist Mitglied im ASA-Verband und aktiv im ASA-Fachbereich Software

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