Reifenersatzgeschäft 2022 in Deutschland

Elektrofahrzeuge

Eine Information vom BRV (Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V.)

Mengenabsatz rückläufig, doch der Reifenhandel trotzt der Krise

Rund 46,3 Millionen Reifen wurden im vergangenen Jahr im Reifenersatzgeschäft in Deutschland verkauft, rund zwei Millionen weniger als im Vorjahr. Nach dem elfprozentigen Einbruch im „Coronajahr“ 2020 hatte der Stückabsatz im Geschäft mit privaten und gewerblichen Endverbrauchern 2021 um gut 2 Prozent wieder zugelegt und die Reifenhandelsbranche hegte im Frühjahr 2022 die Hoffnung auf einen weiteren Aufwärtstrend der Absatzmengen im laufenden Geschäftsjahr. Doch dann kam der Ukraine-Krieg – und mit ihm die Folgen, die die Gesamtwirtschaft in Deutschland bis heute massiv beeinträchtigen: Versorgungsengpässe bei importierten Rohstoffen und Vorprodukten, Explosion der Kosten besonders für Energie und Logistik, hohe Inflationsrate und daraus resultierend Personalkostensteigerungen sowie Konsumzurückhaltung der Verbraucher. Für die Reifenhandelsbranche folgte daraus unter dem Strich ein gut vierprozentiges Minus der im Jahr 2022 im Sell-Out (Ersatzgeschäft, Handel an Verbraucher) verkauften Reifenmenge im Vergleich zum Vorjahr.

Dennoch hat die Branche der Krise getrotzt und kann ein insgesamt zufriedenstellendes Geschäftsjahr bilanzieren. Das berichtet der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV, Bonn) nach nach Analyse der aktuell erhobenen und ausgewerteten Marktdaten zum quantitativen wie qualitativen Geschäftsverlauf 2022 in der von ihm vertretenen Branche. „Trotz rückläufiger Absatzzahlen in seinem Kerngeschäftsfeld Reifenverkauf konnte der deutsche Reifenfachhandel 2022 im Gesamtdurchschnitt die Umsätze ausbauen und auch die Kostensteigerungen so weit kompensieren, dass unter dem Strich ein leicht positives Betriebsergebnis bleibt“, sagt BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin. Im Einzelnen:

Absatzmengen: Consumer-Reifen rückläufig, Lkw-Reifen stabilReifenersatzgeschäft

Die Absatzrückgänge zeigen sich durchgängig in allen Marktsegmenten, vom dominierenden Segment Consumer-Reifen (knapp 90 Prozent Anteil am Stückabsatz) über die deutlich kleineren Segmente Lkw-Reifen (rund 5,9 Prozent Absatzanteil) und Motorradreifen (3,6 Prozent Anteil) bis hin zu den Nischensegmenten FARM (Reifen für land- und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge) und EM (Reifen für vornehmlich in der Baubranche und im Bergbau genutzte Erdbewegungsmaschinen), die es absatzmäßig zusammen nur auf rund 0,6 Prozent Anteil am Reifenersatzmarkt bringen.

Im Segment Consumer-Reifen, das mit seinem riesigen Absatzanteil das Mengenergebnis des gesamten Reifenersatzgeschäftes entscheidend beeinflusst, lag der Absatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr bei 4,7 Prozent. Das Segment setzt sich aus den zwei Produktgruppen Pkw-/Off-Road(4×4)-Reifen und Leicht-Lkw-Reifen (LLkw) zusammen, rund 41,6 Millionen Reifen wurden 2022 hier insgesamt verkauft. Während die Gesamtnachfrage bei Pkw-/4×4-Reifen um gut 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückging, blieb der Absatz von LLkw-Reifen mit einem leichten Zuwachs von 0,5 Prozent stabil.

In beiden Produktgruppen – und damit auch im Gesamtsegment Consumer – sank der Mengenabsatz sowohl bei Sommer- als auch bei Winterreifen (M+S), wobei die Winterreifen prozentual deutlich stärkere Rückläufe verzeichneten (siehe Tabelle). Einzig zulegen konnten Ganzjahresreifen; die Zuwächse fielen mit einem Plus von 2 Prozent bei Pkw-Reifen und gut 6 Prozent bei LLkw-Reifen jedoch deutlich moderater aus als im Schnitt der Vorjahre. „Hier macht sich ein gewisser Sättigungseffekt bemerkbar“, kommentiert Michael Schwämmlein, Geschäftsführer Technik beim BRV. Zweistellige Zuwachsraten wie zu Beginn des „Ganzjahresreifen-Booms“ in der 2. Hälfte des letzten Jahrzehnts sind auf absehbare Zeit wohl nicht mehr zu erwarten.

Als Gründe für die rückläufige Volumenentwicklung im Consumer-Segment nennt der Reifenfachverband weiter rückläufige Fahrleistungen, gesunkene Pkw-Neuzulassungszahlen und Kaufzurückhaltung seitens der Autofahrer wegen gestiegener Produktpreise und der erlittenen inflationsbedingten Kaufkraftverluste im vergangenen Jahr.

Im Segment Lkw-/Busreifen blieb mit einem nur leichten Mengenrückgang um 0,5 Prozent der Absatz von Neureifen nahezu stabil. Runderneuerte Reifen, die einen Anteil von knapp 28 Prozent des Segments ausmachen, verzeichneten einen Volumenrückgang von 1,4 Prozent – trotz gestiegener Sensibilität der Kunden für Produkte und Produktionsprozesse, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. „Im Vergleich zur Neureifenproduktion zeigt die Reifenrunderneuerung hier eindeutige Vorteile, denn Rohstoffverbrauch und Energieaufwand in der Fertigung sind geringer und durch die Runderneuerung wird die Nutzungsdauer des Reifenunterbaus verlängert, so dass weniger Altreifen anfallen“, erklärt Michael Schwämmlein und hebt hervor: „Runderneuerte Reifen sind sozusagen das Paradebeispiel für Kreislaufwirtschaft in der Mobilitätsbranche.“

Die Nachfrage nach Motorradreifen blieb mit einem nur minimalen Mengenrückgang von 0,5 Prozent im Jahr 2022 weitgehend stabil. In den Nischensegmenten zeigten sich ähnliche Absatzrückgänge wie im Consumersegment (FARM -4,2 Prozent, EM -5,1 Prozent).

Aufgrund der nicht absehbaren Entwicklung der geopolitischen Situation ist jedwede Prognose zur Geschäftsentwicklung derzeit mit großer Unsicherheit behaftet. Das gilt auch für das Reifenersatzgeschäft. Ausgehend von der Prämisse, dass sich die allgemeinwirtschaftliche Lage in Deutschland nicht durch weitere unabsehbare Faktoren verschärft, geht der Reifenfachverband von einer weitgehend stabilen bis leicht positiven Entwicklung der Absatzvolumina im laufenden Jahr aus (siehe Tabelle).

Selbst wenn diese Prognose eintrifft, wird das Reifenersatzgeschäft Deutschland 2023, vor allem im Segment Consumer, volumenmäßig noch deutlich vom ‚Vor-Corona-Niveau‘ entfernt bleiben. Bezogen auf den Reifenersatzmarkt gesamt im Endverbrauchergeschäft entspricht die BRV-Prognose 2023 aktuell rund 101 Prozent der Absatzmenge 2022, aber erst knapp 88 Prozent des im Jahr 2019 erreichten Mengenvolumens.

Geschäftsentwicklung trotz allem positiv

Trotz des schwierigen Marktumfeldes konnten die Unternehmen der deutschen Reifenhandels- und -servicebranche positive betriebswirtschaftliche Ergebnisse erwirtschaften.

Der BRV-Jahresbetriebsvergleich für das Gesamtjahr 2022 zeigt, dass der Umsatz im Durchschnitt der meldenden Betriebe um 10 Prozent und der Rohertrag um 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden konnte. Die Durchschnittsrendite liegt trotz rückläufiger Absatzmengen und deutlich gestiegener Raum- und Personalkosten per Dezember 2022 im Gesamtmarkt bei 0,7 Prozent und bei den klassischen, nicht-filialisierten Reifenhandelsbetrieben sogar bei 4,3

Prozent vom Umsatz. Der Umsatz mit Reifenservice-Dienstleistungen wie Montage, Auswuchten oder Einlagerung stieg nach einem fünfprozentigen Plus im Vorjahr im Gesamtschnitt weiter um knapp 6 Prozent und auch der Umsatz im Dienstleistungsbereich Autoservice konnte weiter ausgebaut werden. Hier zeige sich, so der Fachverband, dass die Unternehmen der Branche den in den letzten Jahren wiederholt erfolgten Appellen des Verbandes gefolgt seien, verstärkt „auf Sicht“ zu navigieren, d. h. ihr engeres Marktumfeld kontinuierlich zu beobachten, ihre Geschäftsstrategie öfter nachzujustieren und auch ihre Preise vernünftig – sprich: renditeorientiert – zu kalkulieren. „Weder die Kostensteigerungen noch die im Jahr 2022 häufiger als üblich erfolgten Produktpreiserhöhungen der Hersteller wurden in der Breite der Branche durch Margenverzicht aufgefangen“, sagt BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin. „Sondern die Preise für die verkauften Produkte wie auch für die erbrachten Dienstleistungen wurden auf ein betriebswirtschaftlich erforderliches Niveau angepasst und das neue Preisniveau konnte am Markt durchgesetzt werden.“ Dies sei ein Indiz dafür, dass die Kunden die Kompetenz und die Dienstleistungsqualität des Reifenfachhandels und -handwerks im wahrsten Sinne des Wortes wertzuschätzen wüssten.

Die komplette Automobilwirtschaft inklusive der Zulieferer steht 2023 weiter unter Druck. Der anhaltende Krieg in der Ukraine hat massive Auswirkungen auf die Wirtschaft und die gesamte Automobilbranche. Auch die nach wie vor hohen Energiepreise und die angespannte Personalsituation werden die Betriebe wirtschaftlich vor große Herausforderungen stellen. Lowin: „Für die Unternehmen der Branche gilt es angesichts der weiterhin angespannten Marktlage, den Erfolgskurs zu halten.“ Sprich: Kosten sparen, wo möglich, Preise anpassen, wo nötig, und die Kunden mit einem hohen Leistungsniveau bei erkennbar angemessenem Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen.

Quelle: Pressemeldung BRV

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